Die Waiblinger ai-Gruppe arbeitet an einem neuen Fall.
Es geht um den türkischen Menschenrechtsanwalt Can Atalay, der in der Türkei wegen Beihilfe zum versuchten Umsturz zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde.
Am 14.9.2024 informierten wir an unserem monatlichen Infostand in der Innenstadt
und baten die Bevölkerung, Solidaritätspostkarten ihm ins Gefägnis zu schreiben.
Hintergrundinformationen zum Einzefall:
Can Atalay (geb. 1976) ist ein prominenter Menschenrechtsanwalt, der sich mit vielen sozialen und politisch brisanten Verfahren befasst hat, wie z. B. dem Prozess wegen der Explosion des Kohlebergwerks Soma im Jahr 2014, bei der über 300 Bergleute getötet wurden, und der Zugentgleisung in Çorlu im Jahr 2018, bei der 24 Menschen getötet und über 300 verletzt wurden.
Während der Gezi-Park-Proteste im Jahr 2013 hat er die Taksim Solidarity und die Istanbuler Architektenkammer als Anwalt vertreten. In der Folge wurde er im Gezi-Verfahren angeklagt.
Der Gezi Prozess gegen Can Atalay und seine Mitangeklagten begann am 24. Juni 2019. Die Staatsanwaltschaft forderte die Verurteilung von 16 Personen zu lebenslanger Haft – darunter Can Atalay, Çiğdem Mater, Ali Hakan Altınay, Mine Özerden, Tayfun Kahraman und Yiğit Ali Ekmekçi – gemäß Artikel 39 des türkischen Strafgesetzbuches (KCK) wegen Beihilfe zum “Versuch, die Regierung der Türkischen Republik zu stürzen und die Regierung durch Anwendung von Gewalt teilweise oder ganz an der Erfüllung ihrer Aufgaben zu hindern” gemäß Artikel 312 des türkischen Strafgesetzbuches (KCK).
Acht Angeklagte, darunter Can Atalay und Osman Kavala, wurden am 18. Februar 2020, beim sechsten Gerichtstermin des Prozesses, freigesprochen, weil keine ausreichenden Beweise gegen die Angeklagten vorlagen. Osman Kavala wurde jedoch nicht wie erwartet freigelassen, er blieb in Haft, jetzt unter der Beschuldigung der Spionage, ohne dass dafür irgendein Beweis vorgelegt wurde.
Am 4. März 2022 forderte der Staatsanwalt beim Gerichtstermin für sechs Angeklagte, darunter Can Atalay, jeweils eine Haftstrafe von 15 bis 20 Jahren wegen “Beihilfe zum versuchten Umsturz der Regierung der Türkischen Republik durch Anwendung von Gewalt”.
Can Atalay und sechs weitere Angeklagte im GEZI-Prozess wurden wegen Beihilfe zum versuchten Umsturz zu je18 Jahren Haft verurteilt und noch im Gerichtssaal verhaftet. Osman Kavala, der als einziger bereits in Haft war, wurde zu lebenslanger Haft unter erschwerten Bedingungen verurteilt.
Can Atalay kandidierte trotz seiner Inhaftierung bei der Parlamentswahl 2023 für die Arbeiterpartei der Türkei in der Provinz Hatay und wurde gewählt. Sein Antrag auf Freilassung aus der Haft wurde am 13. Juli 2023 von der 3. Strafkammer des Kassationsgerichts zurückgewiesen. Nach seinem Einspruch dagegen beim Verfassungsgericht urteilte das Verfassungsgericht am 25. Oktober 202, dass das Recht von Can Atalay gewählt zu werden und sich politisch zu engagieren sowie sein Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit verletzt worden sei. Der Streit zwischen den Gerichten führte zu einer Krise in der türkische Justiz. Am 8. November 2023 gab die 3. Strafkammer des Kassationsgerichts ihre endgültige Entscheidung bekannt, dass Can Atalay rechtskräftig verurteilt sei. Sein Parlamentsmandat wurde aufgehoben.
Amnesty International fordert
- die ungerechtfertigte Verfolgung zu beenden und
- die sofortige und bedingungslose Freilassung des Rechtsanwaltes und gewählten Parlamentsabgeorneten Serafettin Can Atalay aus der Haft.